18. August 2014

Oktober 1914

Die "Apparate", von denen mein Großvater schreibt: Feldposttelefone. Hiervon und von den Leitungen, die er verlegt, wird noch viel zu lesen sein. 



Donnerstag, 1. Oktober
Vormittags 12:00 - 3:00 Stationsdienst. Morgens war die Leitung nach Lulwalki gestört. Ich ritt mit Pigbold gegen 7:00 ab. Nach 6 KM war der Fehler beseitigt. Trafen dort mit dem anderen Untersuchungstrupp zusammen. Wir beide ritten dann nach Luwalki, um endlich wieder mal Postsachen zu empfangen. Ich hatte ziemlich viel dabei. Dann ging es zurück nach Zubryn, wo wir ziemlich naß ankamen.                                                    
Die Sache hier oben fängt an mulmig zu werden. Nachmittags mußte Station Slobodka ausrücken, bedrängt von russischer Kavallerie.

Freitag, 2. Oktober
Gegen 6:00 hieß es plötzlich abrücken. Wir bauten erst die Leitung vom Chausseehaus nach Zubrin ab, dann marschierten wir nach Zuwalki. Hier lagen wir im Gouvernementsgebäude. Ankunft nach 2.00 nachts.

Sonnabend, 3. Oktober
Gegen 4:00 ging es weiter. Bitterkalt war uns, wir froren tüchtig bei dem nasskalten Wetter. Als unser Leutnant sagte, wir sollten die am Weg entlang führende Telegraphenleitung zerstören, war alles sofort dabei und bald waren über 80 Stangen umgehauen. Weiter ging es dann nach Filepowo, kamen dort gegen Mittag an und konnten uns Quartier suchen.

Sonntag, 4. Oktober
Nachtsüber war ich als Untersuchungstrupp bestimmt. Wurde gegen 2:00 geweckt. Da angeblich die Leitung nach der ersten Infanteriedivision gestört sei. Als ich nach Station kam, war alles in Ordnung und ich konnte mich wieder schlafen legen. Nachmittags 2:00 - 6:00 wieder als Untersuchungstrupp bestimmt. Unser Leutnant heute das Eiserne Kreuz erhalten.

Montag, 5. Oktober
Immer noch schlechtes Wetter. Heute konnten wir von unserer Station Zeitungen erhalten, ziemlich neue. Sogar vom 3. Oktober. Erfahren dadurch von den Taten des V.9.

Dienstag, 6. Oktober
Das Wetter scheint besser zu werden, es regnet nicht mehr. Aber über den Marktplatz in Filipowo zu gelangen ist ein Kunststück. In Richtung auf Zuwalki Kanonendonner hörbar. Auch Gefangene werden gebracht. 1.400 sollen es sein. Abends von 6:00 - 10:00 Stationsdienst.

Mittwoch, 7. Oktober
Morgens 6:00 - 10:00 Stationsdienst. Der Kanonendonner in Richtung Zuwalki ist heute besonders lebhaft. Wir aber liegen ruhig in unserem Quartier und schlafen.

Donnerstag, 8. Oktober
Liegen noch immer unbekümmert im Quartier.

Freitag, 9. Oktober
Vormittags 6:00 - 10:00 Stationsdienst. Unsere Artillerie ballert nun seit vier Tagen unaufhörlich, die Fensterscheiben klirren fortwährend, trotzdem die Artillerie noch weit außerhalb des Ortes liegt.

Sonnabend, 10. Oktober
Früh kommt plötzlich der Befehl 7:30 marschbereit sein. Um 8:00 gings nach Garbas. Von hier Leitungsbau nach Borawsken, ein deutscher Grenzort. Trafen hier das erste Mal wieder Zug Keil und ein Zug von der Fernsprechabteilung 17. AK. Hierbei auch etliche frühere Kameraden vom Telegraphenbataillon 1. Gleich beim Überschreiten der Grenze merkte man, dass wir uns einem deutschen Dorfe näherten. Die Häuser alle freundlich aussehend, meistens auch mit Ziegeln gedeckt und sauber. Wir schliefen in der Scheune eines Besitzers Regutski Großborawsken. Am Ausgang des Ortes, schon auf russischem Boden, stand unsere Artillerie und feuerte unaufhörlich in die russischen Stellungen.

Sonntag, 11. Oktober
Vormittags halb zwei bis 6:00 hatte ich Stationsdienst. Da wir mittags kein Fleisch hatten, fingen wir ein russisches Rind (1 Jahr) und schlachteten es. Danach wurde es mit unserem Quartierswirt geteilt.

Montag, 12. Oktober
Von 6:00 - 11:00 Stationsdienst. Die Artillerie feuert noch, sonst ist alles ruhig. Heute vormittag wurde Post abgeholt von Garbas. Ich weiß nicht wie es kam, dass ich mich diesmal nicht darauf freute. Es war gewissermaßen eine dumpfe Vorahnung. Wurde mir doch gleich zweimal mitgeteilt, dass Georg Jahn bei Verdun gefallen sei. Der erste aus meiner Verwandtschaft und aus dem Verein. Ich war den ganzen Tag niedergeschlagen. Auch als die anderen Kameraden am Abend zwei Achtel Bier besorgt hatten, konnte ich mich nicht erheitern. 
Von 9:00 -  ½ 2.00 wieder Stationsdienst. 

Georg Jahn, links an der Säge knieend


Das Grab von Georg Jahn in der Nähe von Verdun. Er wurde 22 Jahre alt.

Dienstag, 12. Oktober
Vormittags mussten wir unsere Leitung hochlegen und die Stangen dazu requirieren (5 KM nach Garbas). Gegen 2:00 kamen wir völlig durchnäßt in unser Quartier an.

Mittwoch, 14. Oktober
Vormittags 6:00 - 11:00 Stationsdienst. Es regnet noch ab und zu.

Donnerstag, 15. Oktober
Heute ist wieder schönes Wetter. Mittags wurden Kartoffelpuffer gebacken. Von 11:00 - 4:00 Stationsdienst. Abends wurde ein Achtel Bier geleert.

Freitag, 16. Oktober
Herrliches Wetter heute. Nachmittags 4:00 - 9:00 Stationsdienst. Erfahren dabei, dass Ostende und Gent von unseren Truppen besetzt ist.

Sonnabend, 17. Oktober
Alles beim Alten. Nachts von 9:00 abends bis morgens 6:00 Stationsdienst.

Sonntag, 18. Oktober
Bis mittags schlief ich. Nachmittags erhielt ich Zeitungen vom 11. und 12.10. Erfahre dadurch Näheres über den Fall Antwerpens.

Montag, 19. Oktober
Vormittags 6:00 - 11:00 Stationsdienst. Nachts machten die Russen einen Angriff bei Ringen, wurden aber abgeschlagen. Nachmittags empfing ich Postsachen, auch von Ch. Bürger und E. Lehmann und E. Staack. Wollen mir Pulswärmer schicken. Hätte dann glücklicherweise vier Paar. Ob mein Blut so kalt ist?

Dienstag, 20. Oktober
Nachmittags 4:00 - 9:00 Stationsdienst. Vormittags nach Garbas gefahren, wollte Fleisch besorgen. Abends wurde wieder ein Achtel Bier geleert.

Mittwoch, 21. Oktober
Heute früh ritten wir nach Filipowo. Holten Post und rechneten mit dem Leutnant ab. Ich gab einen Wertbrief nach Zuhause mit 26 Mark auf.

Donnerstag, 22. Oktober
Vormittags 6:00 - 11:00 Stationsdienst. Nachmittags erfahren wir, dass 25 Zentimeter Mörser ankommen sollen. Abends wurde wieder ein Achtel geleert.

Freitag, 23. Oktober
Heute morgen ertönten die großen Mörser. Ich empfing wieder Post, auch von Lentz und Tante Emilie, die mir Handschuhe sandte. Heute empfing Kamerad Latt plötzlich Besuch, indem seine Frau mit einem Verwandten unerwartet zu Besuch kam. Auch schlachteten wir heute zum ersten Mal ein Schwein. Nachts von 9:00 abends bis morgens um 6:00 Stationsdienst.

Sonnabend, 24. Oktober
Heute wurde das Generalkommando von Filipowo nach hier verlegt und unsere Station umgebaut. 12:00 - 4:00 nachmittags Stationsdienst.

Sonntag, 25. Oktober
Seit gestern ist das Gefecht hier im Gange. Beim Stationsdienst nachmittags 7:00 - 12:00 erfuhr ich, dass ca.1.000 Gefangene gemacht sind. Heute wurde Wurst gemacht und abends wieder ein Achtel geleert. Segadlo hat heute Geburtstag.

Montag, 26. Oktober
Immer noch Gefecht. Fortwährend wieder Gefangene. Nachmittags 12:00 - 4:00 Stationsdienst und nachts 12:00 - 8:00 morgens. Erhielt heute eine Karte von der Vereinsturnfahrt V.T.V. . Mache heute die überraschende Entdeckung, dass wir alle verlaust sind. Wahrscheinlich schon aus Filipowo. Glücklicherweise nicht stark. Uns wurden Gegenmittel morgens gleich angewendet.

Dienstag, 27. Oktober
Nachmittags 4:00 - 7:00 Stationsdienst. Heute den Körper mit Benzin abgewaschen und die Wäsche gewechselt. In der Nacht versuchte der Russe einen Durchbruch, wurde abgeschlagen.

Mittwoch, 28. Oktober
Heute ist ziemlich starker Nebel und deshalb wenig Kanonendonner. Vormittags 8:00 - 12:00 und nachts 12:00 - 8:00 morgens Stationsdienst.

Donnerstag, 29. Oktober
Nachmittags von 4:00 - 7:00 Stationsdienst. Erhielt heute Post auch von Herrn L. Müller. Als ich zur Station ging, traf ich Karl Schwarz, Marschkompagnie, Infanterieregiment 45.

Freitag, 30. Oktober
Heute morgen musste ich mit Timm nach Bakalarzewo, um hier die Station zu besetzen und Apparate zu reparieren.

Sonnabend, 31. Oktober
Vormittags bauten wir, auch der Leutnant und ein Unteroffizier, eine Leitung zum permanenten Gestänge zum Generalkommando. Der Ort hier liegt voll Verwundeten und fortwährend kommen neue. Auch Tote sieht man oft zu den Massengräbern transportieren. Die Einwohner sind alle geflüchtet. 

Um dieses Gebiet herum fanden die Schlachten im Oktober 1914 statt, von denen mein Großvater hier berichtet. 

Quelle: Diercke Schulatlas, Georg Westermann Verlag 1975.

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