11. August 2014

September 1914



Link: Kaiser Wilhelm II and top German Army leaders at military Headquarters at the beginning of World War One; in August or September; 1914.


In diesem Film ist General Hermann von François zu sehen, den mein Großvater im Eintrag vom 30. August erwähnt. Vermutlich hat er Ende August die "Schlacht von Tannenberg", wenigstens aus der Entfernung, miterlebt. Zumindest die ständigen Gefangenentransporten haben einen gewissen Eindruck bei ihm hinterlassen.




Dienstag. 1. September
Heute soll Ruhetag sein. Vormittags reparierten wir unsere Kabel, als der Befehl kommt, 1:00 marschbereit sein. Den ganzen Tag kamen russische Gefangenentransporte vorüber. Auch als wir dann um 5:00 nach Neidenburg fuhren, sahen wir auf der Chaussee nur endlose Züge von Gefangenen. In Neidenburg suchten wir uns Quartier in den verlassenen Häusern (Markt Nr. 8).  Die fortwährenden Gefangenentransporte sind einem schon über.

Mittwoch, 2. September
Wir haben uns schon recht häuslich eingerichet. Das Mittag heute war tadellos, sogar drei Sorten Kompott gab es. Alles besorgt. Auch mit Wäsche, Unterzeug, Seife sind wir versehen. Da in „meinem“ Hause ein Friseur war, konnten wir uns rasieren und auch haarschneiden.
Nachmittags spielte die Kapelle der 41. Division auf dem Marktplatz.

Donnerstag, 3. September
Noch immer in Neidenburg. Leben ganz gut hier. Gestern empfing ich wieder mal Post und heute auch.

Freitag, 4. September
6  Uhr Abmarsch nach Ortelsburg. In einer Ziegelei suchten wir uns ein Nachtlager.

Sonnabend, 5. September
½ 6 Morgens sollen wir 8 km bauen. Als 6 km fertig sind, kommt Befehl die Leitung wieder abzubauen. Dann rücken wir ins alte Quartier. Nachmittags ging ich in die Stadt. Auch hier war alles zerschossen und in Brand gesteckt.
 
Sonntag, 6. September
4 Uhr Abmarsch nach Peitschendorf. Der Weg (35 km) führte fast nur durch Wald und da er ziemlich sandig und morastig war, konnten wir den größten Teil zu Fuß zurücklegen. Ankunft gegen 12 Uhr. Um 1:00 mußte ich mit dem Auto mitfahren nach Rudizanne und Postleitung reparieren. Zurück gegen 4:00 Uhr. Quartier hatten wir uns in einem Hause besorgt. Auch Essen hatten die anderen schon vorbereitet. Wir konnten uns hier im Ort auch wieder mal Fleisch, Butter und Schmalz kaufen.

Montag, 7. September
Nachts 12:0 Uhr hatte ich Stationsdienst bis Morgens 6:00 Uhr. 6:30 stand der Zug marschbereit bis um ½ 11. Dann Abmarsch über Johannisburg nach Arys (55 km)  Kurz vor Arys mussten wir auf dem Übungsplatz halten. Arys selbst wurde von uns noch beschossen. Links der Chaussee hörte man ziemlich oft Maschinengewehrfeuer. Die Russen sollen wieder ziemlich eingeschlossen sein und wiederholt Durchbrüche versuchen. Etwas Heu konnten wir uns besorgen und dann wurde biwakiert.

Dienstag,  8. September
Bis gegen 5:00 konnten wir schlafen. Die ganze Nacht hin und wieder Kanonenschüsse. Gegen Morgen und den ganzen Vormittag lebhaftes Artilleriefeuer auch vereinzelt Infanteriefeuer. Wir liegen hier unbekümmert und kochten uns eine tadellose Bouillon. Gegen Mittag geht es nach Arys , welches kurz vorher im Sturm genommen war. Im Lager machten wir einige Zeit halt. Die Conditorei und eine Kantine waren von den Russen schrecklich verwüstet. Wir konnten uns diverse Sachen besorgen u.a. Speck-Kartoffeln, gemischtes Gemüse und Zigarren
Von den Weinflaschen waren sämtliche Hälse abgeschlagen. Weitermarsch nach Milken. Quartier suchten wir uns in einem leer stehenden Hause und kochten Kakao und Pfefferlinge. Außerdem hatten wir hier Käse und Butter besorgen können, also ein gutes Abendbrot. Den Beschluß bildete ein steifer Grog. Gegen 11:00 Uhr ging ich endlich schlafen . 


 Link: Dieses Gefecht fand am 7. und 8. September in Arys statt.

Mittwoch, 9. September
Um 6:00 Uhr Abmarsch über Ubpalten, Kruglinnen. Im Walde auf dem Wege nach Siewkau  lagerten wir bis abends 8:00 Uhr. Der Befehl kam, hier zu biwakieren. Zeitweise fielen auch russische Granaten in unsere unmittelbare Nähe, richteten aber keinen Schaden an .

Donnerstag, 10. September
Morgens Abmarsch nach Gut Siewkau. Hier konnten wir uns Kaffee kochen. 9:00 Uhr Weitermarsch über Gausenstein zum Stadtausgang Jesiorowsken. Die ganze Gegend ist erst gestern Abend vom Feinde verlassen worden. 3 Wochen sollen sie hier gehaust haben. Die Schützengräben sind deshalb alle gut angelegt und überdacht. In Jesiorowsken brateten wir uns Klopse, schmeckten tadellos.
Leitungsbau nach Jakowowsken 4km. Erhielt hier 6 Briefe und Karten von zu Hause. Weitermarsch nach Lissen. Auf einem Heuboden schliefen wir.

Freitag, 11. September
5:30 Abmarsch nach Goldap. Hinter Goldap lagen wir von Mittags an bis Abends
5 ½ Uhr. In einem nahen Hause konnte ich mir Eier kaufen. Ein paar roh getrunken und drei gebraten war tadelloser Mittag. Um ½ 6 Uhr marschierten wir zurück nach
Goldap. Standen hier in den Strassen herum bis gegen 7:00 Uhr. Konnten uns in der Zeit Zucker und Honig besorgen, auch Rum. Dann wurden auf dem Marktplatz die Wagen aufgefahren. Ich hatte von 7:00 - 9:00 Wagenwache. Im Rathaus konnte ich tadellos schlafen.

Sonnabend, 12. September
Vormittags in Goldap Geräte geordnet. Die anderen Kameraden hatten gestern Abend einen Korb mit etwa  80 Eiern „gefunden“, ebenso Naturhonig. Bloss Brot fehlt uns. Nachmittags 5:00 Uhr müssen wir plötzlich abrücken, sollten erst hier bleiben. Gegen 8.00 kommen wir auf der Rominter Chaussee hinter Groß Rominten bei den anderen an. Es wurde befürchtet dass feindliche Kavallerie hier her kommen könnten und wir sollten als Verstärkung dienen. 2 Mann von jedem Trupp mussten die Funkerstation bewachen. Ich meldete mich freiwillig. Anfangs regnete es fast gar nicht, aber bald goss es und am Morgen waren wir völlig durchnässt.                   

Sonntag, 13. September
Mit den nassen Sachen saß man nun auf den Wagen und immer noch fiel ein feiner Regen. Gegen Mittag kam die Sonne aber etwas vor und die Sachen fingen so langsam an zu trocknen. Je näher wir der Grenze kamen, desto schlechter wurde der Weg, so dass wir in diesem Matsch zu Fuß gehen mussten über Melkehmen nach Groß-Kallwaitschen. Hier überschritten wir die Grenze um 4.30 Uhr nachmittags. Hinter uns marschierte das Infanterie Regiment 44 mit flatternder Fahne, mit 3 Hurras und dem Liede „Deutschland, Deutschland über alles“. Wir kamen nach dem russischen Grenzort Wyschtynez. Von hier Leitungsbau über die Grenze, dann wieder zurück nach Wyschtynez, überquerten kurz nach 8:00 Uhr wieder die Grenze und blieben in Wyschtynez. Bei einem russischen Juden tranken wir Tee und schliefen dann in einer Scheune.

Montag, 14. September
Früh 5:00 Uhr Abmarsch. Der schlechten Wege wegen, mussten wir immer zu Fuß gehen . Nachmittags langten wir in Wilkowischken an und blieben in der Kaserne der russischen Dragoner.
                                                                                                                                                  
Dienstag, 15. September
Vormittags Geräte instand setzen. Um 1:00 Uhr musste unser Trupp nach Pilwisczky, Leitung bauen. Ich ging mit zwei Kameraden die Bahnstrecke entlang, hier die Bahnleitung benutzend. (Strecke nach Kowno), mussten dabei über eine gesprengte Eisenbahnbrücke hinüber. Es war bereits dunkel, als wir am Bahnhof  Pilwsczky ankamen. Gegen 10:00 Uhr waren wir im Ort, trafen hier unseren Trupp und halfen Station einrichten. Kurz danach kam Befehl die Station nach dem Brigadestab zu verlegen. Gegen 12.00 Uhr waren wir fertig und konnten uns endlich schlafen legen.

Mittwoch, 16. September
Da die Leitung nicht funktionierte musste ich mit Lzymack als Leitungspatrouille gehen. Ungefähr 7 km, dann gingen wir zurück nach Pilwysczky, gegen Mittag wieder dort. Da wieder keine Verständigung war, ritt ich um 2:00 Uhr mit Lzymack die Strecke ab. Kurz vor Wilkowitschken hatten die Pioniere 2 km weit sämtliche Stangen abgeschnitten und waren beim Sprengen des Bahnhofs. Gegen 7:00 Uhr in der Kaserne blieben wir bis ½ 8 Uhr. Dann ritten wir in der Dunkelheit zurück, durch die Postenketten und kamen nach 11:00 in Pilwysczky an. Unterwegs den beiden Bautrupps begegnend, welche eine neue Leitung nach Pilwysczky bauten.
Die anderen hatten eine Gans gebraten, für mich war die Leber noch da und bald war sie gebraten. 1:00 Uhr war es bereits, als ich schlafen ging.

Donnerstag, 17. September

½ 6 Uhr kochten wir uns Kaffee. Höhne hatte Eier gekauft und wir beide brateten acht Stück. Während die anderen die Leitung abbauten, kochte ich die übrigen (21) Eier. 9:00 Uhr Abmarsch, 12:00 Uhr Ankunft in Wilkowitschken (Kaserne).

Freitag, 18. September
Vormittags Waffenreinigen. Sitzen hier in einer Stube, während es draußen Strippen regnet. Kochten uns Hammelfleisch und Kartoffeln. Nachmittags fing ich mit Höhne an Kartoffelpuffer zu backen. Schmeckten tadellos. Um 6:00 Uhr, als wir noch beim backen waren, mussten wir die Leitung nach Pilwysczky abbauen. In dem nassen Dreck machte dies viel Arbeit und es war bereits ¾ 4 Uhr als wir in die Kaserne in Wilkowitschken zurückkehrten, nachdem wir  9 ½ km abgebaut hatten.

Sonnabend, 19. September
Früh 5:00 Uhr marschierten wir ab und kamen nachmittags gegen 3:00 Uhr in Kalwary an. Es war ziemlich und windig, dazu immer kleine Regenschauer. Das Laufen auf diesen matschigen Wegen war äußerst schwierig. Wir hatten aber noch Glück, denn wir waren noch nicht lange in Kalwary angekommen, als es in Strömen goß. Um ½ 7 Uhr gingen wir schlafen, waren auch müde genug.
 
Sonntag,  20. September
Früh 5:00 Uhr begannen wir mit Trupp Zöffner den Leitungsbau nach Slobodka. Ankunft gegen 4:00 Uhr nachmittags. Schliefen auf einem Heuboden. Stab der 2. Infanterie Division ist hier. Am Abend auf dem Heuboden sangen wir das erste Mal.

Montag, 21. September  
Von 2  - 6 Uhr vormittags hatte ich Stationsdienst. Zu Mittag erhielt jeder Trupp „eine“ Gans. Wir besorgten uns einen Hammel, hatten deshalb einen großen Krach. Dann wurde eine tadellose Suppe gekocht und auch Fleisch geschmort.

Dienstag, 22. September 1914
Vormittags 6:00 - 9:00 Uhr hatte ich Stationsdienst. Der Divisionsstab rückte gegen 8:00 Uhr ab. Als ich Mohrüben etc. besorgte, kam ein Infanterist die Chaussee entlang, nur mit Hemd und Hose bekleidet. Er war in einem nahen Orte von Zivilisten überfallen worden und des Gewehres beraubt. Etliche Artilleristen gingen mit ihm zu dem Orte und bald brannte derselbe.

Mittwoch, 23. September 1914
Liegen jetzt ziemlich einsam hier in Slobodka, doch ist das Wetter jetzt wieder herrlich. Hatte von 6:00 - 9:00 Uhr Stationsdienst, dann besorgte ich mir mit Höhne eine Bratpfanne und dann wurden Kartoffelpuffer gebacken bis nachmittags 5:00 Uhr. Auch dem Leutnant, welcher 6 Stück erhielt, schmeckten dieselben.

Donnerstag, 24. September 14
Von ½ 3:00 – 5:00 Uhr hatte ich Stationsdienst. Früh 8 ¼ - ¾ 10 Uhr ritten wir und der Leutnant  westlich nach drei ziemlich großen Seen. In der schönen Morgensonne war dies ein Genuß. Nachmittags machte ich mir heißes Wasser und dann gab es große Wäsche. Nachts 12:00 Uhr wurden wir plötzlich durch Schüsse unserer Posten geweckt. 6 russische Dragoner versuchten die Station zu überfallen, wurden aber von den Posten in die Flucht gejagt. Von 12:00 - 3:00 Uhr Wache gestanden.

Freitag, 25. September 14
Früh 6:00 Uhr ritten wir Leitungspatrouille. Die Leitung war offenbar von denselben Dragonern durchschnitten, welche gestern unsere Station „besucht“ hatten. Kurz vor Zublin hatten dieselben drei Infanteristen abgeschossen. Einer tot, zwei schwer verwundet. Wir bekamen heute von Kalwaria eine Infanteriewache.

Sonnabend, 26. September 14
Das Wetter ist jetzt wieder ziemlich schön. Die Leitung ist sehr oft gestört, es soll immer von der russischen Kavalleriepatrouille geschehen. Abends müssen wir wieder gegen 8:00 Uhr auf Leitungspatrouille gehen. Ein Unteroffizier, zwei Mann und acht Infanteristen gehen wir gesichert und uns öfters anhaltend etwa 10 km, als wir erfahren, dass die Leitung von dem anderen Trupp in Ordnung gebracht ist. Wieder in Slobodka angekommen, ½ 1:00 Uhr, erfahren wir, dass der andere Leitungstrupp überfallen ist. Unteroffizier Zöffner verwundet und Telegraphist Gande tot.

Sonntag , 27. September 14
Morgens ist die Leitung schon wieder gestört. Wir fuhren mit zwei Wagen besetzt mit Infanteristen bis kurz vor Zuhryn. Hier war das Kabel mittelst zweiter Steine durchgeschlagen. Das Wetter war windig und regnerisch, so dass wir naß und durchgefroren gegen Mittag auf unserer Station anlangten. Mittags gab es Gänsebraten. Nachmittags backte ich wieder Kartoffelpuffer.

Montag, 28. September
Früh kommt Befehl, dass in Zubrin eine Zwischenstation eingerichtet werden soll. Unser Trupp muss dorthin. Leider ist wieder solch schlechtes Wetter. Nach 9:00 langten wir in Zubrin an. Ich musste Apparate reparieren, während vier Mann auf der Strecke andere Kabel einbauen mussten. Da der Regen stärker geworden waren, kamen die Betreffenden völlig durchnäßt zurück. Nachmittags wurde das Wetter immer schlechter. Nachts peitschte der Wind sturmartig.


Mein Großvater war in Berlin im Turnverein aktiv, ein guter Freund von ihm war Georg Jahn (zweiter von links), dessen Schwester Ella er 1926 heiratete.
Was er an diesem Tag noch nicht wußte: Georg Jahn fiel am 28. September 1914 bei Verdun.

Dienstag, 29. September
Vormittags 8:00 begannen wir die Leitung 5 km weit hochzulegen. Dies musste zumeist auf Stangen geschehen. Bei starkem Wind und Regen, vor Kälte bibbernd, ging es querfeldein und unsere Stiefel bildeten bald einen kleinen Teich für sich. Als wir gegen 1:00 zur Station zurück kamen, konnten wir unsere Sachen auswringen.
Es war nur gut, daß unsere jetzige Wohnung geheizt war und der Körper dadurch etwas aufgewärmt wurde. Wenn es in diesen elenden Buden nur nicht so ziehen würde. Überall Löcher und Fugen, die verstopft werden müßten, auch die Fenster undicht, so daß ein behagliches Gefühl der Wärme nicht aufkommen kann. Unsere Station befindet sich in einem Gasthof, das Haus wie alle anderen aus Holz mit Lehm verschmiert und Strohdach. Der Gasthof ist jetzt geschlossen, der Besitzer vorläufig ausgezogen. Die Frau kommt ab und zu mal her, um ein Weilchen an einem Webstuhl zu arbeiten. Heute wollte sie auch eine Bescheinigung haben, daß wir ihren Torf verbrennen. 
Abends von 6:00 - 12:00 hatte ich Stationsdienst.

Mittwoch, 30. September
Das Wetter ist immer noch schlecht. Heute traf Infanterie und Artillerie hier ein, so daß der ruhige Ort vor Militär wimmelt. 

Im zweiten Kriegsmonat ging es von Neidenburg (Nidzica) über Arys (Orzysz) nach Goldap, bis ins heutige Litauen.

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